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PRESSE: Sozialarbeiter an der Verbundschule haben immer ein offenes Ohr

Eintrag vom 8. Mai 2017

Doris Christoph am 5.5.2017

Hille (mt). Streit unter Freunden, Zoff mit den Eltern, Ärger in der Schule – manchmal weiß man einfach nicht mehr weiter. Gut, wenn dann mal jemand von außen guckt. An der Verbundschule Hille machen das die Sozialarbeiter Katharina Traue und Karsten Kranzusch. Sie haben ein offenes Ohr für Anliegen von Schülern, Lehrern und Eltern.

Mit Karsten Kranzusch kam 1996 der erste Sozialarbeiter überhaupt an eine Schule in der Gemeinde Hille. „Die Schulsozialarbeit gehört zum Konzept der Ganztagsschule, das war damals ein ganz neuer Ansatz“, erinnert er sich. Die Lehrer hatten damals die Einrichtung dieser Stelle beschlossen.

Er installierte Jungen- und Mädchenarbeit, sexualpädagogische oder Anti-Gewalt-Arbeit an der Schule. Bis Schüler mit ihren Problemen zu ihm kamen, dauerte es eine ganze Weile. „Sie haben erstmal geschaut: Auf welcher Seite steht der? Kann ich mich darauf verlassen, dass er nichts weiter erzählt?“, erinnert sich Kranzusch, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Immer mal wieder unterstützte ihn eine Sozialarbeiterin über das Programm „Bildung und Teilhabe“, aber 2014 lief das Programm aus. Gerade den Mädchen fehlte eine Ansprechpartnerin, hat er gemerkt. Seit einem Jahr hat er nun Katharina Traue an seiner Seite. „Die Mädels haben in der Pubertät mehr Beratungsbedarf“, hat sie festgestellt. Jungen haben natürlich auch Probleme, es fällt ihnen aber schwerer, darüber zu sprechen.

Die Themen sind je nach Alter ganz unterschiedlich, wissen die beiden aus Erfahrung. „In den Klassen 5 bis 7 geht es oft um Freundschaften und darum, in der Schule anzukommen“, sagt Traue. In der 8. und 9. Klasse treten Sorgen um die Schulnoten stärker in den Vordergrund. Um Stress mit Freunden, Ärger in den sozialen Medien und Konflikte mit den Eltern drehen sich häufig Beratungen mit Neunt- und Zehntklässlern. Bei den älteren Jahrgangsstufen gehe es schon richtig ans Eingemachte, so Kranzusch. „Da kann man schon von Krisen sprechen.“ Dann wird auch auf die Hilfe externer Experten zurückgegriffen.

Der Besuch bei den Schulsozialarbeitern beruht auf Freiwilligkeit, auch wenn Lehrer oder Eltern die Kinder manchmal schicken. Geht es um heikle Themen, beraten sich die Kollegen untereinander. Über allem steht aber die Schweigepflicht. Offenbart sich etwa ein Opfer von sexuellem Missbrauch, gehen die Sozialarbeiter behutsam vor. Einfach die Polizei, Eltern oder Lehrer zu informieren, geht für sie nicht. „Ein Schnellschuss kann kontraproduktiv sein. Man muss die Schritte sehr gut und vernünftig überlegen“, sagt Kranzusch. „Und alles in Rücksprache mit dem Betroffenen machen“, ergänzt Traue.

Manch einer mag solch harte Themen in einer ländlichen Region gar nicht vermuten. Aber die Schulsozialarbeit hat sich in den vergangenen Jahren verändert. „In Hille war die Welt noch heile, als ich hier anfing“, so Kranzusch. Trennungen oder Arbeitslosigkeit bei den Eltern gab es kaum, die Schülerschaft war sehr homogen, es gab kaum Kinder mit Migrationshintergrund.

Heute besuchen auch Kinder und Jugendliche die Verbundschule, die Flucht und Krieg miterlebt haben. „Die haben knallharte Erfahrungen gemacht“, sagt Kranzusch. „Aber für sie ist es eine größere Überwindung, zu uns zu kommen“, weiß Traue. Die Schulsozialarbeiter vermuten, dass bei manchem ein Trauma versteckt liege.

Ein weiteres großes Thema ist die Inklusion: Neun Kinder werden an der Schule von einer Sozialpädagogin betreut. Manchmal werden auch Kranzusch oder Traue dazu gerufen, wenn Unterstützung nötig ist.

Die Sozialarbeiter betreuen und begleiten auch Projekte und Arbeitsgemeinschaften etwa zu den Themen Sexualität, Sucht oder Mobbing. Lange hat Kranzusch sich um die Streitschlichter-Ausbildung gekümmert. „Die ist aber nicht mehr so nachgefragt.“ Für Projekte ist generell kaum Zeit. Traue ist 20 Stunden pro Woche in der Schule, Kranzusch hat seit Februar ebenfalls auf 20 Stunden reduziert, weil er auch im Personalrat der Gesamtschulen tätig ist. Beide hoffen, dass die weggebrochenen Stunden bald wieder aufgefangen werden.

Wenn sie oft auch Kummerkasten sind, gibt es auch schöne Momente bei der Arbeit, zum Beispiel wenn ein Fall schlimm anfängt und dann positiv endet, überlegt Traue. Oder Probleme gelöst werden konnten und die Schüler einfach so vorbeikommen, um mal wieder zu quatschen.

URL: http://www.mt.de/lokales/hille/21770748_Sozialarbeiter-an-der-Verbundschule-haben-immer-ein-offenes-Ohr.html

 

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