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Hiller Schulklassen verlegen Unterricht ins Naherholungsgebiet

Eintrag vom 23. November 2024

Eine Schülerin hält Sascha Traue ein herzförmiges Stück Holz hin, das sie aus einem Baumstamm geschnitten hat. Dem Umweltpädagogen geht beim Anblick im wahrsten Sinne des Wortes das Herz auf. „So etwas lernen die Kinder nicht in der Schule und auch nicht, wenn sie fernsehen“, sagt der Mitarbeiter der Biologischen Station Minden-Lübbecke, der eine Woche lang mit Siebtklässlern der Verbundschule Hille Unterricht im Grünen macht.

Seit vielen Jahren finden die Projektwochen am Badesee Mindenerwald statt. Ginge es nach Sascha Traue, sollten die Kinder viel mehr in der freien Natur lernen. Vieles, was die Schüler im Biologie-, Mathe- oder Technikunterricht hören, bekommen sie hier quasi nebenbei vermittelt. Dass die Aufmerksamkeit im Laufe des Tages nachlässt, oder die Kinder Handys oder Tablets vermissen – Fehlanzeige. Im Gegenteil, sagt Traue: Die Schülerinnen und Schüler seien hoch motiviert und packten kräftig mit an. Das kann auch Lehrerin Petra Berthold bestätigen, die das Projekt seit Jahren begleitet. Alle Teilnehmer haben an der Verbundschule den naturwissenschaftlichen Kurs gewählt.

Die Schülerinnen und Schüler sind in Gruppen aufgeteilt. Sie bauen Insektenhotels für den Kurpark in Rothenuffeln, schneiden Kopfweiden und bauen aus deren Ästen Tipis. Sie sammeln und bestimmen Blätter, kümmern sich um die Gehölzpflege und legen neue Gehölzinseln an – jeden Tag wird gewechselt. Jeder Teilnehmer bekommt alle Bereiche mit. Und weil viel Regen vorhergesagt ist, freut sich Sascha Traue umso mehr, dass die Familie Schnelle ihre Scheune und die Angler ihr Vereinsheim zur Verfügung gestellt haben. „Wir haben hier ein tolles Miteinander mit der Nachbarschaft.“

Inken und Ben sind am Mittwochmorgen mit ihrer Gruppe für das Schneiden der Kopfweiden am See zuständig. „Die Bäume sind typisch für ein solches Gewässer und müssen alle fünf bis acht Jahre nachgeschnitten werden“, erklärt Sascha Traue den Schülern, die sich mit Astschere und Teleskop-Schneidern an die Arbeit machen. Helm und Handschuhe sind dabei Pflicht. Die Kinder lernen nicht nur den richtigen Umgang mit den Werkzeugen, sondern kennen am Ende auch den ökologischen Wert der Bäume. Sie sind Lebensraum unter anderem für den Steinkauz, den Siebenschläfer sowie zahlreiche Insekten.

Inken (12) möchte am liebsten weiterarbeiten. Dennoch legt sie die Handsäge kurz beiseite, um zu zeigen, was sie und ihre Mitschüler in den ersten beiden Tagen alles gemacht haben. Vor allem auf die Tipis sind sie stolz, denn die haben sie ganz ohne Hilfe aus den Zweigen der Weiden gebaut – inklusive Sitzmöbeln aus Holz. „Wenn es regnet, werden wir hier drin nicht nass“, erklärt das Mädchen aus Südfelde.

Außerdem zeigt sie die Überreste eines morschen Baums, den die Schüler zusammen mit Sascha Traue gefällt haben. Und nicht zu vergessen die Angeln, die sie in der Pause gebaut haben. „Wir haben hier sehr viel Spaß“, sagt die Zwölfjährige. In den Pausen sitzt die Gruppe im grünen Klassenzimmer auf Holzstämmen und lässt sich das Obst aus einer nahen Streuobstwiese schmecken.

Simon macht vor allem die Gehölzpflege Spaß. Er kümmert sich mit seiner Gruppe darum, dass Sichtfenster freigeschnitten werden, damit Spaziergänger hier wieder auf das Gewässer schauen und die Tiere beobachten können. Aus den Resten baut er mit seinen Mitschülern Totholzhecken. „Können wir weitermachen?“, ist die wohl meistgestellte Frage an diesem Morgen, die Sascha Traue natürlich gerne hört. „Die Kinder sollen mit allen Sinnen lernen. Nicht nur der Kopf, sondern auch die Hand und das Herz sollen gestärkt werden“, sagt der Umweltpädagoge, der jedes Mal aufs Neue begeistert ist, mit wie viel Elan die Kinder dabei sind.

Begeistert ist der Umweltpädagoge auch davon, dass bei den jungen Menschen offenbar ein Bewusstsein vorhanden ist, dass sich in Sachen Natur- und Umweltschutz etwas tun muss. Zu Beginn der Projektwoche nutzt er dafür ganz bewusst Bilder, die Betroffenheit erzeugen – Müll im Meer, Lebensmittelverschwendung oder Wälder mit toten Bäumen. Bei der Frage, wer daran etwas ändern kann, hält er den Kindern einen Spiegel vor. „Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. Wichtig ist, im Kleinen anzufangen, die Welt zu verbessern“, ist Traue überzeugt. Der wichtigste Schritt sei der vor die Tür, raus in die Natur.

Quelle: https://www.mt.de/lokales/hille/Hiller-Schulklassen-verlegen-Unterricht-ins-Naherholungsgebiet-23960499.html

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