PRESSE: Wie Verbundschüler und Senioren im Altenpflegeheim viel voneinander lernen
Eintrag vom 1. Juli 2019
Hille (mt). Im Foyer des Altenpflegeheims läuft Musik, zu der einige Gäste schunkeln. Clown Otty bläst bunte Luftballons auf, die er zu Figuren formt und verschenkt.
Der Raum ist geschmückt und die Stimmung in der Von-Oeynhausen-Straße spürbar prächtig. Bewohner und Verbundschüler feiern an diesem Nachmittag gemeinsam den Abschluss eines Projekts, in dem es um den Gedankenaustausch zwischen Jung und Alt ging. Rund anderthalb Monate führten die Teilnehmer regelmäßige Gespräche miteinander, lernten sich in dieser Zeit kennen und schätzen. Sie sprachen über Dies und Das, redeten von früher und heute. Beide Generationen nehmen daraus eine Menge mit.
Emma Röding spricht das aus, was die meisten denken. „Das Projekt ist zwar zu Ende, die Besuche gehen weiter“, sagt die 17-Jährige gegenüber dem MT. Zu Irmgard Meyer, die seit einiger Zeit im Altenpflegeheim lebt, hat sie eine enge Verbindung aufbauen können und sie redet sogar von Freundschaft. Spannend sei es gewesen, etwas über das Leben der Ü80-Generation zu erfahren, zu der die Schülerin bislang nur wenig bis gar keinen Kontakt hatte. „Meine Oma ist noch keine 60“, sagt sie. Und die Generation ihrer Großmutter-Generation sei anders aufgewachsen als die von Irmgard Meyer.
Welche prägende Wirkung die Gespräche mit Zeitzeugen haben können, zeigt sich nach dem Projekt deutlich. So sind die Schrecken des Zweiten Weltkriegs den Schülern zwar aus dem Unterricht bekannt, wirken aber durch die direkten Erzählungen umso intensiver. Viel hat beispielsweise Esther Redekop (16) mit Elfriede Wilkening (86) über die Nazi-Diktatur, den Krieg und die Jahre des Wiederaufbaus gesprochen. „Es muss schlimm sein, wenn man wochenlang nichts zu essen hat“, sagt sie. Die Worte der Seniorin hätten ihr ein Gefühl für die Schrecken dieser Jahre gegeben – wesentlich tiefgreifender als es ihr Geschichtsbücher oder Dokumentation vermitteln würden.
Gesellschaftliche Entwicklungen haben die Schüler thematisiert und es stellten sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. Bei der ersten großen Liebe hatten beispielsweise alle mächtig Herzklopfen und die Erinnerungen daran sind für jeden Menschen prägend. Dass man früher ohne Fernseher und Computer auskommen musste, ist hingegen für die Schüler unvorstellbar. Dafür würden die Senioren das Internet vermissen. Über Mails, Chats, Smartphones oder Homepages hätten sie überhaupt nicht geredet, erzählt Esther Redekop.
Keineswegs ging es in den Begegnungen immer bierernst zu. Die Schüler der Sozial-AG berichten von einer Menge heiterer Momente, in denen man viel gelacht habe. „Ich liebe Esthers Art, denn sie ist immer gut gelaunt und kann zuhören“, sagt Elfriede Wilkening. Die 86-Jährige hat sich mit der Schülerin auf Anhieb verstanden. Das Projekt findet sie klasse, die gemeinsamen Brettspiele hätten Spaß gemacht und es sei auch toll, dass die Schülerin mit ihr zum Gedächtnistraining gegangen ist.
Dass die Begegnungen zwischen den Generationen gewünschten Erfolg haben, kommt nicht von Ungefähr. Die Chemie muss stimmen. Im Vorfeld hatten Altenpflegeheimleiterin Christine Emmer-Funke und Lehrerin Stefanie Terwesten deshalb bei den Bewohnern nachgehakt und die Begegnungen vorbereitet. Auch die Familien der jeweiligen Senioren saßen mit im Boot.
Die Abschlussfeier im Foyer ist der Beweis dafür, dass sich Jung und Alt bestens miteinander verstehen – wenn man sich aufeinander einlässt und offen füreinander ist. Diese Erfahrungen machen die Projektverantwortlichen immer wieder. Schon seit sechs Jahren kooperieren das Altenpflegeheim und die Verbundschule. Unterschiedliche Jahrgangsstufen treffen für den Projektzeitraum mit den Heimbewohnern zusammen und bislang feierte man mit dem Konzept jedes Mal einen Erfolg. Fenn erfahrungsgemäß gehen die jüngeren Schüler ein wenig unbefangener und schneller auf die Älteren zu, erzählt Emmer-Funke.
Terwesten und sie seien deshalb gespannt darauf gewesen, wie es im Projekt mit den angehenden Abiturienten klappt. Jegliche Bedenken zerschlugen sich aber schon auf Anhieb. Die Resonanz war bei Schülern und Senioren von Anfang an positiv. Und beide sind sicher, dass die Generationen viel voneinander erfahren haben.
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