Zu spät gekommen – Kurzgeschichten aus der 10d
Eintrag vom 2. November 2014
Sie war zu spät gekommen
Sie war zu spät gekommen. Jetzt ist er weg, will sie nicht mehr wiedersehen und das alles nur, weil sie nicht wusste, wie sie sich ihm präsentieren sollte, nach der langen Zeit, nachdem sie ihn zu Adoption freigegeben hatte.
Sie steht vor dem Spiegel und betrachtet sich. „Soll ich meine Jeans anlassen oder doch lieber das rot gepunktete Kleid anziehen, das auf dem Bett liegt?“, dachte sie. Endlich sah sie ihren Sohn wieder, ihren Sohn. Die ganze Zeit malte sie sich das Treffen im Kopf aus, wird er sie wohl mögen, akzeptieren oder vielleicht auch hassen? Ist es ihm egal, was sie anhat oder wird er sie gleich auf den ersten Blick abstempeln? Über all das macht sie sich schon seit Stunden Gedanken.
Dann der Blick auf die Uhr. Die Zeit ist davongerannt! Vor 15 Minuten wollten sie sich im Park treffen. Vor 15 Minuten! Endlich ist der Tag da und dann kommt sie zu spät, denkt sie sich. Sie rennt los, so schnell wie der Wind. Als sie im Park ankam, war niemand da, wirklich niemand. Nicht mal ihr Sohn. Vielleicht hatte er auch die Zeit vergessen, redet sie sich ein. Doch nach kurzer Zeit entdeckte sie einen Zettel. Er war von ihrem Sohn. Beim Lesen stockte ihr der Atem, denn auf diesem Zettel stand: „Ich bin dir wohl wieder nicht wichtig genug, nicht wichtig genug, um an einem einzigen Tag pünktlich zu kommen. Ich will dich nie wieder sehen. Du bist zu spät gekommen!“
Korinna Lömker, 10d
Sie war zu spät gekommen. Nun sitzt sie zu Hause am Küchentisch. Tränen fließen aus ihren Augen. Das junge Mädchen fragt sich: „Was wäre passiert, wenn ich eher aufgestanden wäre? Hätte ich den Zug dann nicht verpasst?“ Sie will sich gar nicht an die Geschehnisse zurück denken, doch immer wieder tauchen Bilder in ihren Gedanken auf. Sie versucht sie zu verdrängen, doch dies ist schwerer als sie sich gedacht hat. Auf einmal sieht sie wieder das Gesicht des Mannes, es fließen noch mehr Tränen und sie fängt an zu zittern. Sie sagt sich immer wieder, dass sie zu Hause ist und ihr nichts mehr passieren kann.
Sie erinnert sich, wie sie noch versucht hat, die Tür des Zuges aufzumachen, doch sie ging nicht auf. Genervt schaute sie auf die Anzeigetafel, wann der nächste Zug käme: In einer halben Stunde. Sie setzte sich hin und hörte Musik.
Wieder versucht sie diese Gedanken zu verdrängen. Sie will nicht daran zurück denken, was alles passiert ist. Plötzlich hört sie ein Knacken und erschrickt sich. Ein Schauer läuft ihr über den Rücken. Doch sie sagt sich: „Das war nur der Wind draußen, alles ist gut, du bist hier in Sicherheit.“ Ihre Gedanken schweifen jedoch wieder zurück zu diesem einen Tag: Sie denkt daran zurück, wie sie auf der Bank saß und auf einmal mehrere Schüsse und sehr lautes Geschrei hörte. Sie hatte sich gefragt , was das war und woher das Geräusch kam. Sie war aufgestanden auf und langsam in die Richtung, aus der die Schüsse kamen, losgegangen. Am ganzen Körper hatte sie Gänsehaut gehabt. Auf einmal ertönte noch ein Schuss und ein heller lauter Schrei. Dieser ging ihr durch Mark und Bein. Ihre Füße waren kalt wie Eis und sie dachte: „Soll ich wirklich weiter gehen? Ist es nicht vielleicht besser, wenn ich schnell nach Hause renne?“
Doch ihre Neugierde war stärker gewesen als ihre Angst. Sie wollte wissen was da hinten passierte. Ihre Beine trugen sie langsam immer weiter vorwärts. „Noch ein Schritt und noch einer. Du schaffst das!“, dachte sie, um sich Mut zu machen. Langsam bog sie mit angehaltenem Atem um eine Ecke. Aus der Ferne sah sie einen Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand. Hinter diesem konnte sie ein paar Menschen ausmachen, die alle nah beieinander standen. Als sie auf den Boden schaute, sah sie eine Frau, die in einer großen Blutlache lag. Die Beine waren ihr wie Wackelpudding. Sie traute ihren Augen nicht, was sie dort sah. Plötzlich fielen ihr die Kopfhörer aus der Hand und der Mann drehte sich abrupt um. Sie schaute ihm direkt in die Augen und merkte dann erst, wie er seine Waffe nahm und feuern wollte. Sie drehte sich um, fing an zu laufen, rannte um die Ecke und lief um ihr Leben. Sie drehte sich nicht um und schaute nicht nach, ob der Mann ihr folgte. Ihr einziger Gedanke war: „ Schnell raus aus dem Bahnhof und in Sicherheit bringen!“ Sie rannte ihr Leben, bis sie weinend auf dem Boden zusammenbrach.
Jetzt sitz sie am Küchentisch und ihre Hände sind nass von ihren Tränen.
Lena Priehs 10d
Er war zu spät gekommen. Es war ein dunkler, bewölkter Sonntagmorgen. Der Wecker klingelte nicht. Durch Zufall wachte er auf. Die Uhr war stehen geblieben. Die Zeit war ihm davon gelaufen. Er zog das Zeug vom vorherigen Tag an, die verwaschene braune Hose, den fleckigen Pullover, die Schuhe mit dem Loch und die Regenjacke, die ihm bereits schon eine Nummer zu klein war. In der ganzen Hektik vergass er sein Handy einzustecken. Es waren noch zehn Minuten bis zum Treff zur Wattwanderung. Doch bis zum Treffpunkt am Strand waren es noch fünfzehn Minuten mit dem Bus. Der Bus hatte Verspätung.
Von der Bushaltestelle aus rannte er das kurze Stück bis zum Strand, so schnell, wie er noch nie gelaufen war. Als würde er um sein Leben rennen, in der Hoffnung, dass die Gruppe noch nicht losgegangen war. Doch es war zu spät. Er war zu spät gekommen. Alles umsonst, dachte er, aber sie sind ja erst vor zehn Minuten losgegangen, vielleicht schaffe ich es ja noch hinterher, vielleicht hole ich sie noch ein. Durchgeschwitzt machte er sich auf den Weg. Der Schweiß lief ihm an der Stirn herunter. „Na toll, jetzt fängt es auch noch an zu regnen, was für ein blöder Tag“, sagte er genervt vor sich hin. Es regnete stärker, sodass man den Schweiß an seiner Stirn nicht mehr vom Regen unterscheiden konnte. Nach einer Stunde durchs Watt drehte er sich um. Er sah den Strand hinter sich nicht mehr, von dem er losgelaufen war. Er dachte, er sei geradeaus gelaufen, doch das schien nicht zu stimmen. Trotzdem ging er weiter.
Sein Herz klopfte. Nach einiger Zeit sah er nichts mehr als Wasser, überall Wasser, kilometerweit nur Wasser. Er hatte sich verlaufen. Wo war die Gruppe?
Er wühlte in seinem Rucksack. Er suchte sein Handy, doch er fand es nicht und fragte sich, wie soll ich denn jetzt Hilfe rufen, wer wird nach mir suchen, wenn keiner weiß wo ich bin. Er merkte wie sich seine Socken mit Wasser vollsogen, seine Füße nass und kalt wurden und seine Schuhe unter Wasser standen. Ihm war bewusst, die Flut setzte ein. Hatte längst eingesetzt. Svenja Fiestelmann, 10d
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